Abendgespräche#1: Wir sind Stadt – und wer ist eigentlich das „Wir“?

Wenn meine Frau Britta, eine der Initiatorinnen dieses Blogs, und ich abends zusammen kochen, essen oder beim Wein zusammensitzen, geht es inzwischen häufig um „#Wir sind Stadt“. Ein Abendthema war: Wer ist denn eigentlich das „Wir“ in „#Wir sind Stadt“?

Das sind doch eigentlich mal erst ich und du und er und sie.

So nett und verbindend sich das „Wir“ auch lesen mag – ein WIR gibt es in der Stadt mal erst gar nicht.
Es gibt stattdessen sehr unterschiedliche Interessen, Wünsche und Bedürfnisse der diversen Akteure und Gruppierungen: Rat, BV’s, Parteien, Parteifreunde;  Verwaltungsbereiche mit Interessenkonflikten untereinander; einzelne und Gruppierungen von Bürgern rund um spezielle Interessen.

Wie kann man in einem solchen komplexen Geflecht zu gemeinsam getragenen Entscheidungen kommen? Eigentlich ist es Aufgabe des politischen Steuerungssystems (Parteien, Ratsgremien, Verwaltung, etc.) Interessenausgleiche herbeizuführen. Seit einiger Zeit schon haben sich daneben vielfältige Formen der Bürgerbeteiligung entwickelt, die inhaltliche Einflussmöglichkeiten – neben der Stimmangabe bei Wahlen – schaffen. Macht es das einfacher?

Richtig genutzt kann Bürgerbeteiligung zu Entscheidungen führen, die von der breiten Bürgerschaft getragen werden. Solche Prozesse werden jedoch auch genutzt, um den eigenen Interessen mehr „Lautstärke“ zu verschaffen. Oder als „Pseudobeteiligung“ (wenn das Ergebnis im Prinzip schon feststeht), oder um sich Ruhe und Zeit zu verschaffen, wenn die Emotionen zu einem Thema hohe Wellen schlagen.     

Und wer ist jetzt das „Wir“ in „#Wir sind Stadt“? Zum Verständnis muss man wohl auf den Untertitel zurückgreifen: „Initiative für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung“.

Ein gelungenes „Wir“ ergibt sich – wie in jeder Familie, Freundschaft, Verein, Arbeitsteam, … – nicht automatisch, sondern hat mindestens drei Voraussetzungen:

Erstens die Akzeptanz, dass Einzelinteressen häufig gegenüber dem Gemeinwohl zurückstehen müssen. Zweitens die grundsätzliche Bereitschaft, anderen zuzuhören und andere Perspektiven als ebenso berechtigt wie die eigene anzuerkennen. Und drittens, wahrscheinlich am Wichtigsten: Offen miteinander zu reden und fair um das bestmögliche Ergebnis für alle zu streiten.

So verstanden ist „#Wir (alle) sind Stadt“ nicht nur eine selbstverständliche Beschreibung der Realität, sondern auch Aufforderung, die Geschicke unserer Stadt gemeinsam und zum Wohle aller anders in die Hand zu nehmen, als häufig bisher geschehen.

2 Antworten

  1. Barbara Dickmann sagt:

    Hat mir sehr gefallen!
    Trifft einen wesentlichen und immer schneller immer wichtiger werdenden Punkt!
    Hoffentlöich kriegen WIR das hin…

  2. Claudia sagt:

    Sehr interessante, weil differenzierte, Skizzierung zu einem Slogan. Ja, es sollte
    mehr sein als „ plakative
    Stimmungsgestaltung“ und vor allem ehrliches Anliegen. Demokratische Basisentscheidungen dürfen tatsächlich „ Stadtentwicklung“ mitgestalten. Vorraussetzung: keine strategischen Schachzüge… sondern: Mut die Bürgerdarlegungen (Interessen, Alternativ-Kreativ-ideen…)wahrzunehmen / ernsthaft einbeziehen, bedenken.. und dann demokratisch fair die anstehenden Prozess zu begleiten… in konstruktiver Umsetzung oder manchmal auch ruhender bzw. transformierter Weise auf den Weg bringen. Wir= alle Bürger der Stadt. Das Melbbad und der städtische Vorgehen hierbei ist für mich ein erschreckendes Beispiel für das Gegenteil von „WIR“ zumindest aus meiner Sicht. Eine in Bonn geborene Bürgerin

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