#WsS trifft…Angelika Majchrzak-Rummel

Foto: Angelika Marjchrzak-Rummel

Den Anfang machen wir mit Angelika Majchrzak-Rummel (AMR), Rechtsanwältin und Expertin für die Rechtsberatung gemeinschaftlicher Wohnprojektgruppen. AMR hat sich intensiv mit der neuen Rechtsform der eingetragenen Gbr (eGbR) befasst. Darüber und über weitere Themen sprechen wir mit ihr. 

#WsS Ich freue mich, liebe Angelika, dass Du unser erste Interviewpartnerin bist.
Du bist Rechtsanwältin mit Sitz in Schwabach in Bayern, begleitest jedoch bundesweit Wohnprojekte und -gruppen zu rechtlichen Fragen und bei Wahl einer geeigneten Rechtsform. Für deine Beratungen bietest du zumindest für Rechtsanwälte – nach meiner Kenntnis – eher ungewöhnliche Onlineformate an. Bitte erzähl uns ein bisschen zu diesen Angeboten.

AMR  Meine Rechtsanwaltskanzlei war von Anfang an etwas anders. Statt mich auf Familienrecht zu konzentrieren, habe ich mich bereits 1992 auf Bau- und Immobilienrecht spezialisiert – Themengebiete, die damals von Männern dominiert wurden. Während meine Kollegen ihre Schriftsätze diktierten und diese anschließend mit der Schreibmaschine von Sekretärinnen getippt wurden, habe ich von Beginn an meine Schriftsätze selbst am PC verfasst. In einer Zeit, in der ich gleichzeitig für meine zwei Töchter sorgte, ließ ich Anrufe auf mein Handy weiterleiten. Nur so war Work-Life-Balance möglich (obwohl es den Namen damals noch nicht gab).

Ich war immer technikbegeistert und habe alle verfügbaren Hilfsmittel genutzt. Schon vor der Corona-Pandemie bot ich Onlinekonferenzen an, um eine bundesweite Betreuung zu ermöglichen. Mit Corona wurden diese Online-Angebote alltäglich. Natürlich musste ich auch Social Media ausprobieren. Jetzt widme ich mich den Möglichkeiten der KI und deren Integration in meine Kanzlei.

Auf der anderen Seite ist es mir stets wichtig, die individuellen Bedürfnisse meiner Mandanten und Kunden zu berücksichtigen. Daher biete ich Online-Gruppenkonferenzen von Montag bis Donnerstag auch von 19 bis 21 Uhr an. So haben auch Gruppenmitglieder mit kleinen Kindern die Möglichkeit, teilzunehmen.

In den zahlreichen Beratungen tauchten häufig ähnliche Fragen und interessante Fragestellungen auf. Daraus entstand die Idee eines Blogs mit einem begleitenden Newsletter. Die aktuelle Struktur hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, basierend auf dem Feedback aus der  Leserschaft. In diesem Zusammenhang gab es auch Anfragen nach Sprechstunden oder themenspezifischen Austauschformaten. Diese Formate sind zwar selten lukrativ, erweitern jedoch meine fachlichen Kenntnisse und ermöglichen mir einen Blick über den Tellerrand. Ich betrachte das Recht als kreative Gestaltungsmöglichkeit und bin sicherlich auch ein neugieriger Mensch. Dieses Wissen teile ich gerne mit Interessierten.

 #WsS Du hast du dich intensiv mit der neuen Rechtsform der eingetragenen GbR (eGbR) befasst. Kann diese Rechtsform aus Deiner Sicht eine interessante Alternative für gemeinschaftliche Wohnprojektgruppen sein?

AMR Auch der Gesetzgeber erkennt die Notwendigkeiten, die sich aus veränderten Lebenswelten und Herausforderungen ergeben. In diesem Sinne unterliegen Gesetze einem ständigen Wandel. Für die „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ war eine solche Anpassung längst überfällig. Die Veränderungen geschahen zunächst weitgehend unbemerkt – zumal einige Wohnprojektberaterinnen oder Akteure stark auf ihr „Geschäftsmodell“ fokussiert sind. Ich erinnere mich noch an die Aussage eines Steuerberaters, der weiterhin Genossenschaften bevorzugt, „weil an einer eGbR nichts zu verdienen ist“.

Meiner Ansicht nach haben alle Rechtsformen ihre Vor- und Nachteile. Ich berate daher ergebnisoffen.

Die neue GbR bzw. eGbR ist vergleichsweise einfach und kostengünstig zu gründen. Die gesetzlichen Regelungen im BGB sind angemessen und können bei Bedarf flexibel angepasst werden. Ein Statuswechsel von der eGbR zu einer Genossenschaft oder einer GmbH & Co. KG ist problemlos möglich. Eine Gruppe kann also schnell handlungsfähig werden, sei es gegenüber einem Investor (bei Mietprojekten), einem Grundstücksverkäufer (beim Erwerb oder Erbbaurecht) oder einer Kommune (im Rahmen von Konzeptvergabeverfahren). Danach kann das Projekt in Ruhe weiterentwickelt werden.

Die eGbR als begleitende Rechtsform in Baugruppen und innerhalb einer WEG finde ich äußerst praktisch, da sie einerseits für die „Gemeinschaftseinheit“ zuständig bleibt und bei Bedarf ein Ankaufsrecht ausüben kann, oder andererseits auch als Verwalter nach WEG-Recht fungieren kann.

Darüber hinaus kann die eGbR auch gemeinwohlorientiert oder wohngemeinnützig im Sinne der AO gestaltet werden (sofern das Jahressteuergesetz I 2024 verabschiedet wird). Es liegt allein an der Gruppe, welchen Zweck sie verfolgen möchte. Keine andere Rechtsform bietet eine derart hohe Flexibilität.

Einziger Wermutstropfen ist jedoch die Fremdfinanzierung durch Banken. In manchen Fällen sind Einzelprüfungen notwendig, oder die Finanzierung wird generell für Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ausgeschlossen. Für diesen Fall habe ich die verschachtelte Konstruktion einer Ein-Personen-GmbH in Erwägung gezogen, bei der eine eGbR die einzige Gesellschafterin ist.

#WsS Wie bist du eigentlich dazu gekommen, dich mit der Rechtsberatung von Wohnprojekt-gruppen zu befassen? Gab es einen speziellen Anlass oder besondere Beweggründe?

AMR Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis. Vor etwa zehn Jahren stellte ich mir die Frage, wie ich im Alter wohnen und leben möchte. Daraufhin trat ich dem Verein „Der Hof – Wohnprojekte Alt und Jung e.V.“ bei. Dieser Verein ist kein Wohnprojekt, sondern bietet Beratung für Interessierte an. Im Zuge des Generationenwechsels wurde ich schnell zur 1. Vorsitzenden des Vereins und konnte so die Szene der Wohnprojekte näher kennenlernen. Ich erkannte rasch, dass mir die niederschwellige Beratung nicht ausreichte, da die juristischen und steuerrechtlichen Fragestellungen äußerst komplex sind. Daher beendete ich meine Vorstandstätigkeit und vertiefte mein Fachwissen weiter. Es ist faszinierender, gemeinsam mit Menschen zukunftsfähige Projekte zu gestalten, als vor Gericht zu streiten. Aus diesem Grund bin ich schon länger nicht mehr als klassische Anwältin vor Gericht tätig. Dennoch führe ich weiterhin Vorsorge- und erbrechtliche Beratungen durch. Oft überschneiden sich diese Themen auch mit Fragestellungen in Wohnprojekten. Auch in einem Wohnprojekt müssen wir uns mit dem Tod von Menschen auseinandersetzen, und es ist wichtig, diese Herausforderungen gut zu gestalten, insbesondere unter Berücksichtigung des gesetzlichen Erbrechts.

#WsS Du begleitest bereits seit vielen Jahren Wohnprojektgruppen. Wie viele waren das grob überschlägig? Hast du über die Jahre dabei eine ganz besondere Erkenntnis gewonnen und vielleicht auch einen Tipp für Projektgruppen, den Du hier mit uns teilen magst?

AMR In den Corona-Jahren hatte ich viele Beratungsprojekte – etwa 20 pro Jahr. Letztendlich wurden jedoch nur 3-4 davon tatsächlich realisiert. Mehr als 3-4 Projekte könnte ich auch nicht begleiten, da jedes Projekt und alle Beteiligten einzigartig sind. Es erfordert viel Kommunikation, insbesondere wenn ich aufgrund meiner Erfahrungen einige idealistische Vorstellungen korrigieren muss.

Es gibt ein Interview mit mir, in dem ich über 3 typische Fehler spreche. 
https://steadyhq.com/de/projekt-wohnen/posts/1a06df2e-ee8b-4bff-b80f-29745acbe95a?secret_token=KFZFyei4fNoDfa-GZE9yEC9tLCDGPVCNhMX6r5rqLzXVmAmK56n1JvP4xAHEFUF5

#WsS Wenn Du einen Wunsch frei hättest, gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung zu forcieren: Was müsste wer tun, was müsste geschehen?

AMR  Die Basis einer gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung ist für mich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, Politik (Stadtrat, Parteien) und Zivilgesellschaft. Stattdessen werden oft gute Ideen aus kurzsichtigen parteipolitischen Überlegungen torpediert. Wir brauchen Mut etwas auszuprobieren und gegebenenfalls aus Fehlern lernen zu dürfen. Wenn wir die Klimakatastrophe begrenzen wollen, den demographischen Wandel abfedern wollen und den sozialen Frieden wahren wollen, dann müssen wir mehr kooperieren.

Auch Wohnprojekte müssen sich als Teil ihrer Quartiere verstehen.

Jeder einzelne sollte Verantwortung übernehmen – und wenn es nur das freundliche Gespräch mit den Nachbarn ist. Groß denken und im Kleinen anfangen! Ich selber koordinierte ehrenamtlich mit anderen seit einigen Jahren den „Runden Tisch Inklusion“ in Schwabach. Bislang haben wir viel Sensibilisierungsarbeit geleistet und Selbstbewusstsein gefördert … und das bewusst ohne jede Rechtsform.

#WsS Liebe Angelika, wir danken Dir für dieses Gespräch und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg bei Deiner Arbeit.

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