#WsS trifft … Michael Lobeck

Michael Lobeck, selbständiger Berater und Moderator für Stadtentwicklungsfragen, ist unser zweiter Interviewpartner. Ihn trafen wir bei einigen Stadtrundgängen, die der Bund Deutscher Architektinnen und Architeken Bonn, z.B. zu den Perspektiven der Bonner Oper und den Planungen im ehemaligen Regierungsviertiel, veranstaltet hat und die von ihm geleitet wurden. Wir haben in diesen Veranstaltungen mit rund 30 Personen immer einen sehr guten Einblick in stadtplanerische Projekte der Stadt Bonn erhalten und haben uns sehr gefreut, dass Herr Lobeck mit uns ein Interview geführt hat.

#WsS: Ich freue mich, lieber Herr Lobeck, dass Sie sich zu einem Interview bereit erklärt haben.  Sie begleiten als freiberuflicher Moderator und Berater Partizipations- und Kommunikationsprozesse in der Stadtentwicklung für Kommunen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Initiativen. Was genau ist Ihre Rolle in diesen Prozessen? Was ist ihr Ziel?

M. Lobeck: Ich möchte einen Raum schaffen, in dem alle ihre Interessen einbringen und Gehör finden können. Mein Ziel ist es, den Teilnehmenden zu ermöglichen, ihre Interessen zu reflektieren und untereinander auszutauschen. Dafür halte ich eine Atmosphäre für entscheidend, in der sie einander gut zuhören können und sich nicht rechtfertigen müssen. Gemeinsam mit Auftraggeber:innen gestalte ich die Rahmenbedingungen – Raum, Zeit, Werkzeuge, Informationen und eventuell Catering – so, dass es den Menschen leichtfällt, sich auf die jeweilige Fragestellung einzulassen.

#WsS: Sie beschäftigen sich meiner Kenntnis nach besonders intensiv mit dem Thema Bürgerbeteiligung. Haben Sie den Eindruck, dass Bürgerbeteiligung in der gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung einen angemessenen Stellenwert hat? Was braucht es, damit sich Menschen ermutigt fühlen, sich in Beteiligungsprozessen einzubringen? Gibt es bestimmte Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit Bürgerbeteiligung bestmöglich wirksam ist? 

M. Lobeck: Für mich ist es entscheidend, dass Menschen ihre Interessen in die Gestaltung von Stadtentwicklung einbringen können. In den meisten Verfahren, die ich begleite, sind Kommunen die Auftraggeber. Sie wollen Projekte gemeinwohlorientiert umsetzen und nutzen oft Beteiligungsinstrumente, die über die Anforderungen des Baugesetzbuches hinausgehen. So geben sie Bürger*innen die Möglichkeit, sich einzubringen. Damit das gelingt und alle Beteiligten gemeinsam ein besseres Projekt entwickeln, sind gute Informationen, Offenheit für andere Interessen und Rollenklarheit nötig.

Eine wesentliche Voraussetzung für gute Beteiligung ist, das Ziel und den Spielraum der Beteiligung klar zu kommunizieren. Oft ist Bürger*innen die Komplexität von Stadtentwicklungsprozessen nicht bewusst. Die Möglichkeiten und Einschränkungen von Verwaltung, Politik, Vorhabenträger*innen und Bürger*innen transparent darzustellen, ist ein wichtiger Bestandteil guter Kommunikation in Beteiligungsprozessen. Gemeinwohl kann aus guten Aushandlungsprozessen unterschiedlicher Interessen entstehen, wenn Gremien deren Ergebnisse bei Ihren Entscheidungen ernsthaft berücksichtigen.

#WsS: Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, sich als Moderator in der Stadtentwicklung zu betätigen? Was sind Ihre Beweggründe?

M. Lobeck: Nach meinem Geographiestudium arbeitete ich als Kommunalberater und Projektentwickler bei einer Tochterfirma der damaligen Landesentwicklungsgesellschaft NRW. Oft erlebte ich, wie ich als Geograph die Interessen verschiedener Akteure, etwa Planungsamt und Investor, nachvollziehen konnte, selbst wenn diese sich nicht gut verstanden.

Durch Fortbildungen in Systemischer Organisationsentwicklung, Mediation und Moderation wuchs mein Interesse, die Kommunikation zwischen Beteiligten zu verbessern. Ich schätze Lösungen, die vielen Menschen einen Mehrwert bieten, und bin überzeugt, dass sie besser werden, wenn man unterschiedliche Interessen miteinander ins Gespräch bringt.

#WsS: Wenn Sie auf die Projekte, die Sie in den letzten Jahren begleitet haben, zurückblicken. Wie viele haben Sie ungefähr begleitet? Können Sie einige Voraussetzungen nennen, die gegeben sein müssen, damit ein zivilgesellschaftliches Projekt erfolgreich an den Start gehen kann und auch einigermaßen krisenfest ist?

M. Lobeck: In einem typischen Jahr begleite ich monatlich ein bis zwei Beteiligungsprojekte. Hinzu kommen die Bewertung von Beteiligungsprozessen, die Moderation von Veranstaltungen, Forschungsprojekte zur Stadtentwicklung sowie Beratungen zu Smart City und Digitalisierung.

Erfolgreiche Projekte erfordern klare Ziele und Interessen aller Beteiligten. Das scheint so trivial, dass es oft übergangen oder nur oberflächlich berücksichtigt wird. Doch nur wenn ich meine Erfolgskriterien kenne und die meiner Partner und anderer wichtiger Akteure, kann ich zielgerichtet handeln.

Zivilgesellschaftliche Projekte werden in der Regel von Gruppen unterschiedlicher Menschen angestoßen und vorangebracht. Nicht alle Interessen, Ziele und Werte der Gruppenmitglieder sind deckungsgleich. Das verändert sich auch oft im Verlauf von Projekten. Eine stabile externe Begleitung kann daher für Initiativen sehr hilfreich sein.

Nach meiner Erfahrung benötigen zivilgesellschaftliche Projekte für einen gelungenen Start engagierte Partner in Politik und Verwaltung. Sie brauchen eine belastbare Struktur, die auch bei Abgängen von Schlüsselpersonen funktioniert, und eine solide Finanzierung, die über die Anfangsphase hinaus reicht.

#WsS: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung zu forcieren: Was müsste wer tun, was müsste geschehen?

M. Lobeck: Wenn es nur ein Wunsch sein darf, dann müssten alle einander mehr zuhören, um gemeinsam Lösungen zu suchen und zu finden. Wenn es ein bisschen mehr sein darf, dann wäre ein bisschen Rücksichtnahme noch ganz hilfreich, weniger Engagement für Eigeninteressen von denjenigen, die eh schon gut versorgt sind, um mehr Chancen und Räume für diejenigen zu schaffen, denen es schlechter geht.

WsS: Herr Lobeck, vielen Dank für diese interessanten Einblicke in Ihre Arbeit. Wir wünschen Ihnen, dass ihre beiden Wünsche in Erfüllung gehen. Einander besser zuhören und mehr Rücksichtnahme – das wünschen wir uns auch. Vielen Dank für Ihre Zeit und bis bald bei Ihrem nächsten Stadtrundgang.

„Feindliche Architektur – Wie Architektur und Stadtgestaltung wohnungslose Menschen beeinträchtigt oder unterstützt“.


Zu dem oben erwähnten Stadtrundgang zu den Perspektiven der Bonner Oper haben wir einen Beitrag verfasst. Schaut mal rein. Wir freuen und über Kommentare.

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